Erfahrungen von Teilnehmern

"Ich habe realisiert, dass ein Leben als Einzelgänger, der sich nur "selbst verwirklicht" nicht das Richtige sein kann und durch die Zeit, die ich bis jetzt mit euch verbringen durfte, habe ich gemerkt, wie sich durch Austausch auf Augenhöhe im gegenseitigen Respekt und Raum geben neue Türen und Wege eröffnen. Danke dafür." (Mary aus Stuttgart, Mai 2022)

"Es war eine unglaublich intensive und lehrreiche Zeit, die ich mit euch gemeinsam erleben durfte. Danke, dass wir in Offenheit voneinander lernen durften."

 

Ich bin an den Freiheithof gekommen, um mehr darüber herauszufinden, wo ich mich beruflich hinbewegen möchte [...] aber auch eine andere Arbeitskultur kennenzulernen. Ich hatte keine genauen Vorstellungen dazu, was mich erwarten wird. Schon im Bewerbungsprozess habe ich gemerkt, dass ganz anders als ich das bisher gewohnt war, sehr individuell auf mich eingegangen wurde. Ich erinnere mich noch gut an die Verwunderung im Vorfeld vier Gespräche zu führen, obwohl es sich “nur” um ein Praktikum handelt. Von dieser sehr persönlichen Herangehensweise habe ich besonders im Laufe des Praktikums profitiert. Es wurde immer auf meine Vorschläge eingegangen und auch ganz konkret danach gefragt. Dadurch wurde ich motiviert, selbstständig Arbeit zu ergreifen und mir wurde die Freiheit eingeräumt, mich nach meinem Ermessen einzubringen.

Das Besondere an meiner Zeit bei der Lebensgemeinschaft war das Zusammenspiel aus verschiedensten Tätigkeitsfeldern. Denn zur gemeinsamen Gestaltung des Lebens gehören nicht nur Aufgaben der Firma, man teilt auch einen Haushalt und trägt andere gemeinsame Aufgaben. Diese verschiedenen Tätigkeitsbereiche verschmelzen miteinander. Dass bei einer Arbeitsbesprechung Rücksicht auf eine zu begleitende, dabei sitzende Personen genommen werden muss, ist ebenso selbstverständlich, wie dass bei einem Sonntagsspaziergang auch über die “Arbeit” gesprochen werden kann.  

Die Lebensgemeinschaft hat mir vor Augen geführt, was für Möglichkeiten und was für eine Kraft in der gemeinsamen, achtsamen Gestaltung des Zusammenlebens liegen. Beide meiner Großmütter und mein Großvater sind an Demenz erkrankt. Eine Krankheit, die sich meinem Verstehen entzogen hat und durch die sich die mir Nahe gestandenen Personen sehr weit weg angefühlt haben. Erst das Zusammenleben am Freiheithof mit einer Demenz erkrankten Person hat mir ein neues Verständnis dafür gegeben, wie es möglich ist, Nähe aufzubauen, mit einer Person, die auch nach Monaten sich nicht an meinen Namen (mich?) erinnern konnte. Unsere Verbindung haben nun mal keine zurückliegenden gemeinsamen Erinnerungen gespeist, sondern die Art und Weise, wie wir Mal für Mal aufeinander zugegangen sind. Es braucht Zeit, eine Verbindung aufzubauen, die sich nicht auf vergangenen Erfahrungen stützt, Zeit und Konstanz, um sich aufeinander einzulassen. Ich glaube, wenn man sich diese Zeit nimmt, hat man ganz andere Möglichkeiten, die Person zu begleiten bzw. begleitet man nicht mehr nur, sondern gestalten das Leben gemeinsam."  (Juliana aus Erlangen, Studentin, 06. Mai 2022)

Wann beginnt ein Werdegang ins Ich-Bewusstsein?

 

Er beginnt mit einer alles durchdringen wollenden Frage, deren Antwort innere Notwendigkeit ist. 

Meine Frage seit Jugendtagen ist: Was bedeutet Menschsein und WER bin ich?

Im Wechsel von Beobachtung des Umkreises und mich erleben, machte ich meine Schritte durch handwerkliches Tun, partnerschaftliches Zusammenleben, spirituelle Erfahrungen und künstlerisches Erfassen, bis zu einer Sättigung, die nicht Ruhe gab, sondern aufbrechen wollte. 

Kein Produkt, kein Kunstobjekt, keine Beziehung zu einem einzelnen Menschen, kein spirituelles Erlebnis in abgesonderten Zeiten konnte mich mehr befrieden.

 

50 Jahre sogenanntes selbstbestimmtes Leben brachten mich dahin zu erkennen, dass ich mich bisher in meinen alten Vorstellungen, Träumen, Mustern eingerichtet habe und hier und da mein liebgewonnenes Ding machte. Doch die Frage: entspricht dieses Leben tatsächlich dem wahren Wesen in mir, bin ich das wirklich? motivierte mich weiter zu gehen…

 

So kam ich im Zeitalter der Individualisierung auf die Idee, mich ganz in Gemeinschaft zu begeben, weil mir klar wurde, will ich an die Wahrheit meines Wesens, brauche ich den Blick eines anderen Menschen, besser verschiedener nahestehender Menschen mit denen ich in aller Konsequenz und Verantwortung zusammen lebe.

 

Doch mit welchen Menschen kann ich eindringen in eine so tiefe Selbsterkenntnis? und das nicht durch einen therapeutischen, pädagogischen, in besonderen Zeiten gemachten Blick, sondern einen alltäglichen, stetig dran-bleibenden Blick von Mensch zu Mensch.

 

Mit Menschen, die dasselbe im Sinn haben und ich im Vertrauen bin, dass auch sie sich entwickeln wollen und mich nicht widerspiegeln durch ihre persönliche Sicht, sondern mir gegenüber so objektiv wie möglich sein können. Nicht sich, sondern mich im Sinn haben. Und im ausgleichenden ich sie…

 

In einem solchen Miteinander liegt wohl eine spirituelle Dimension…  und wo kann ich Menschen finden die darin leben? Hatte ich viele Jahre spirituelle Erfahrungen im stillen Sitzen des Zen gemacht, fand ich zuletzt meinen christlichen Ursprung zurück. Lange war meine Tendenz in die Gemeinschaft eines Klosters zu gehen, doch die hierarchischen Strukturen und das von der Aussenwelt abgeschlossen sein standen mir im Weg. Und waren es nicht bloß Erinnerungen aus alten Leben die mich anzogen an diese Formen?

Durch ein mehrwöchiges Erleben in einem Franziskanerinnen-Kloster war mir klar, hier konnte ich nicht mehr finden, was ich als neue Richtigkeit ahnte.

Ich blieb weiter offen für das Finden der Antwort meiner lebensbestimmenden Frage, und dann kam die Anthroposophie in mein Leben. 

Die Menschen die ich fand, fragten mich als erstes: Was brauchst Du?

Erstmal Zeit und Raum, um mich beobachtend, spürend hinein zu begeben, in den Ort, in das menschliche Miteinander, in die Lebensumstände.

 

Es war geheimnisvoll, denn ich wurde in totaler Freiheit einfach gelassen und stand in einem für mich neuen Raum:

Wie komme ich hinein in das komplexe Gebilde einer Menschengruppe, die seit vierzig Jahren neue soziale Formen entwickelt und äußerlich, wie auch innerlich, spirituell  einen neuen Weg der Erkenntnis geht? der sich nicht laut offenbart,  sondern Schritt für Schritt mit eigener Willenskraft entdeckt werden  will.

Bis zum Eintritt in die Gemeinschaft, genauer in die Hochschule, waren meine “Erkenntnisse” im Grunde nur Empfindung und ich konnte sie dementsprechend nur schwer in Worte fassen. Mein Ausdruck ging über das Künstlerische, über Bilder,  aber nicht unmittelbar von ICH zu DU im Alltäglichen. Das war mir ein gesuchter Entwicklungsschritt und wurde meine erste und bleibende wichtigste Übung.

Am Ort lebend wurde schnell deutlich, was alles zu tun war und ich begab mich in das Erfüllen dieser Tätigkeiten, auch wenn sie mir nicht direkt entsprachen, so dienten sie mir als Übungsfelder, die ich im Verbund mit den Menschen der Lebensgemeinschaft, entwickelte und so gerne annahm.

 

Im Laufe der Zeit erkannte ich mit welchen Wunschvorstellungen und Träumen ich im Leben stand und nun immer deutlicher wurde, was realistisch ist.

 

Zum Beispiel  gibt es am Freiheithof eine neu ausgebaute Produktionshalle und ich war begeistert diesen Raum zu erfüllen, war ich doch gerne mit meinen Händen am Werk und das Wunschbild dies hier Hand in Hand mit Betreuten zu erfüllen war so ganz meiner Vorstellung entsprechend. Ich wünschte mir immer Arbeit, in der der Mensch an erster Stelle steht, also das Wer und Wie und dann erst das Was. Ich musste erkennen, dass mein Produktionsimpuls nicht an sich eine realistische Idee war und Tat werden konnte, sondern der Soziale Impuls für mich der Grund zu all meinem  weiteren Tun ist.

 

So wurde das Soziale ganz real in der Begegnung mit einer Betreuten der Lebensgemeinschaft. Sie ist der Mensch, durch den sich die Gemeinschaft gegründet hat. Ihr Leben bedarf immerwährender Begleitung und Betreuung, da sie nicht weiss, wie die Dinge im Leben getan werden und Hände hat, die nicht zum Tun veranlagt sind. Man sagt,  Menschen, die auf diese Weise auf Erden sind, leben eine Ausruh-Inkarnation. Was Mait- Julia zu eigen ist, dass sie von dem Menschen der in Ihrer Nähe ist, totale Klarheit im Miteinander und im Tun fordert. Ist sie da nicht gehalten, drückt sie ihr Ungehalten sein stark und laut aus. 

So fand ich meine Lebensaufgabe.

(Stefanie, heute Kollegiumsmitglied)